
Kino mit Wörtern
Es geht ums Kopfkino oder plastische Imagination, wie es in der Hochsprache heißt. Wie ruft man es aber hervor? Bei den meisten funktioniert es schon seit Kindheitstagen. Da genügt schon ein Wort, ein Satz, ein flüchtiger Blick und schon setzen sich die Bilder in Bewegung. Manchmal braucht es „Hilfsmittel“, um sich in eine imaginäre Welt zu versetzen. Hörspiele sind einer davon. Bevor das Fernsehen die Wohnzimmer okkupierte, waren Hörspiele aus dem Radio das Abendhighlight fast überall auf der Welt – zumindest in den mir bekannten Teilen.
Anders als Hörbücher sind Hörspiele viel Aufwendiger produziert. Wir haben nicht nur eine Person, die aus einem Buch liest. Nein, mehrere Schauspieler:innen sprechen ihre Rollen, es gibt Musik im Hintergrund und all die Geräusche, die dazugehören. Wie Kino, ohne Bilder.
Bei der Auswahl der Genres für die Projektarbeit habe ich mich für Comedy, Science-Fiction und Liebe und Erotik entschieden.
Komisch ist nicht leicht
Das Genre Comedy gehört zu den schwierigsten. Es ist nicht einfach, Menschen zum Lachen zu bringen. Erst recht nicht, wenn die Bilder wie beim Film fehlen. Denn beim Hörspiel kann nicht auf die Schadenfreude – einfachste Art eine:n zum Lachen zu bringen – zurückgegriffen werden. Beim Hörspiel muss die Tonlage, der Rhythmus und die Geschwindigkeit stimmen und in sich stimmig sein. „Dienstag vielleicht“ aus „Wenn Alle Stricke Reißen, Kann Man Sich Nicht Mal Mehr Aufhängen“ von Marc-Uwe Kling war kein einfacher Text. Im Hörbuch wird er vom Autor sehr temporeich gelesen. Wir dagegen haben das Tempo rausgenommen und aus einer dynamischen Diskussionssituation eine lethargische Stimmung gemacht. Die Komik wurde so auf die Gesamtsituation gelenkt. Um die Absurdität der Situation zu überspitzen, habe ich actionreiche Außengeräusche verwendet. Sie stehen im krassen Gegensatz zu der Stimmung zum Gespräch der drei Protagonisten.
Große Gefühle ohne Kitsch
Die Herausforderung beim Sprechen des Textes aus der Serie Dawson`s Creek Staffel 3 Folge 22 „Zwischen allen Stühlen“ lag darin, eine romantische Szene zu spielen, ohne kitschig zu werden. Für mir war es schwierig, den Rhythmus und die Stimmlage zu finden, insbesondere die „Zwischentöne“, die in romantischen Situationen von Bedeutung sind. Schließlich muss alles authentisch auf die/den Hörer:in wirken.
To be a space cowboy: Grimmig und brummig
Jayne ist ein rauher, ruppiger Space-Cowboy. Für die Szene aus der Serie „Firefly“ lag die Schwierigkeit darin, den griesgrämigen Ton von Jayne durchzuhalten. Für mich war es eine ungewohnte Rolle. Auch hier – wie bei Comedy und Liebe und Erotik – musste ich meine Komfortzone verlassen.
Keine Bretter, die die Welt bedeuten
Hörspiele zu sprechen, ist wie Theater spielen ohne Bühne. Alles läuft im zuerst Kopf ab und die Gefühle müssen mit der Stimme transportiert werden. Das Sprechen für Hörspiele gibt einem selbst auch die Gelegenheit, neue Facetten seiner Persönlichkeit zu entdecken. Gefühle hervorzubringen, die im täglichen Leben meist tief verborgen in einem schlummern und nur darauf warten, ausgedrückt zu werden.